Nachbericht zur OB-Diskussion des ABKU


Am Sonntag, den 12. Mai 2024, fand die bereits angekündigte Podiumsdiskussion des „Aktionsbündnis Klima und Umwelt Jena“ (ABKU) mit den OB-Kandidierenden statt. Wir möchten an dieser Stelle einen kurzen Bericht dazu geben.

Aktion unserer Initiative vor der Podiumsdiskussion

Bereits vor Beginn der Podiumsdiskussion haben wir mit einer kleinen Aktion vor dem Rathaus auf die falsche finanzielle Priorisierung der Individual-Verkehrsarten hingewiesen. Nach offiziellen städtischen Angaben, welche mithilfe des sogenannten „Cost Tools“ ermittelt wurden, sind im Jahr 2022 etwa 12,85 Millionen Euro an Zuschüssen für den motorisierten Individualverkehr (MIV, also Autos, Motorräder etc.) ausgegeben wurden. Für den Fußverkehr war es hingegen lediglich etwa eine Million und der Radverkehr hat nicht einmal 300.000 Euro abbekommen. Diese Zahlen spiegeln ein gravierendes Ungleichgewicht zulasten der nachhaltigen Verkehrsarten wider und eine Umverteilung dieser Zuschüsse zugunsten von Fuß- und Radverkehr ist nötig, wenn wir in Jena unsere Klimaziele im Verkehrssektor erreichen wollen. Eine ausführlichere Auswertung des Cost Tools haben die Jenaer Umweltverbände ADFC, VCD und BUND in einer gemeinsamen Stellungnahme vorgenommen[1].

Vortrag von Professor Ekardt

Um 16 Uhr begann die eigentliche Veranstaltung des ABKU im Rathaus. Doch bevor die OB-Kandidierenden sich den Fragen stellten, hielt Professor Dr. Dr. Felix Ekardt einen Impulsvortrag. Er ist Jurist, Philosoph sowie Soziologe und leitet eine Forschungsstelle zum Thema Nachhaltigkeit in Leipzig und Berlin. In seiner wissenschaftlichen Laufbahn hat er bereits nicht nur viel zur Klimakrise geforscht, sondern auch Verbesserungen vor Gericht erstritten. Eine ausführliche Auflistung seiner Arbeiten ist auf der Internetseite der Forschungsstelle zu finden[2].

Prof. Ekardt spannte in seinem Impuls den Bogen von der internationalen bis zur kommunalen Ebene des Klimaschutzes und erläuterte auch detailliert, welche Verantwortung den Städten und Gemeinden bei der globalen Klimakrise zukommt und in welchen Handlungsfeldern, von der Wärme- und Energieversorgung bis zum Verkehrssektor, Maßnahmen ergriffen werden können – und sollten. Denn eine Botschaft brachte er den OB-Kandidierenden und dem Publikum mehrfach nahe: Es kann und muss beim Klimaschutz viel schneller und zielgerichteter vorangehen, als es bislang der Fall ist. Zielhorizonte wie 2045 seien viel zu ambitionslos, sondern könnten um mindestens zehn, eher 13 Jahre vorgezogen werden. Mit seinem Plädoyer schloss er die Kommunalpolitik explizit mit ein, die nicht zuletzt auch eine Vorbildrolle für andere Städten und Gemeinden ebenso wie für die nationale und internationale Politik haben kann.

Podiumsdiskussion der OB-Kandidierenden

Mit Prof. Ekardts Apell im Hinterkopf begann der zweite Teil der Veranstaltung, die Podiumsdiskussion mit den Personen, die gerne die kommenden sechs Jahre als Oberbürgermeister*in die Geschicke der Stadt leiten würden. Anwesend waren Jens Thomas (Die Linke), Thomas Nitzsche (FDP), Ulf Weißleder (parteilos), Kathleen Lützkendorf (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Stadtrat Bastian Stein in Vertretung für den CDU-Kandidaten Stephan Wydra. Moderiert wurde die Diskussion vom Journalisten Olaf Nenninger.

Zunächst gab es für die Kandidierenden drei Themengebiete, zu welchen sie sich äußern und ihre Ideen mitteilen konnten: Nachhaltiges Bauen, Verkehr und Energie- bzw. Wärmeversorgung. Im Anschluss konnten die Besucher*innen aus dem Publikum ihre Fragen loswerden.

Die Debatten verliefen sehr verschieden. Während sich etwa alle Kandidierenden grundsätzlich zu einem Ausbau des ÖPNV bekannten und es lediglich über „kleinere“ Fragen wie die Einführung eines Kurzstreckentickets für Jena (bzw. den gesamten Verkehrsverbund Mittelthüringen) gab, so verlief etwa die Diskussion zur Nachhaltigkeit im Städtebau deutlich kontroverser. Soll der Eichplatz wie geplant mit Hochhäusern bebaut werden, oder ist für das Stadtklima ein innerstädtischer Park nützlicher? Ist eine Nachverdichtung der Innenstadt, die Ausweisung neuer Wohngebiete an den Rändern Jenas oder die Kooperation mit dem Umland für Wohnprojekte sinnvoller? Diese und weitere Fragen wurden nicht nur von den OB-Kandidierenden kontrovers diskutiert, sondern auch im Anschluss in Nachfragen aus dem Publikum aufgegriffen.

Osttangenten-Anhörung und Speed-Dating mit Stadtratskandidierenden

Ein anderes Streitthema war der geplante Ausbau der Straßen „Am Eisenbahndamm“ und „Am Anger“ bis auf Höhe der Käthe-Kollwitz-Straße, einschließlich einiger Zuwegungen an den Kreuzungen. Das sogenannte „Osttangenten“-Projekt ist mit einem Gesamtvolumen von 31 Millionen Euro veranschlagt, wovon bei einer Förderquote von 60% etwa 12 Millionen Euro durch die Stadt getragen werden müssen (Kostensteigerungen sind wie bei allen Großprojekten durchaus nicht

unwahrscheinlich)[3]. Ziel ist es, die Staugefahr auf diesem Straßenabschnitt zu senken. Allerdings gehen wir wie viele andere Umweltverbände davon aus, dass der Ausbau das Problem nicht lösen, sondern sogar verschärfen wird. Denn die wissenschaftliche Studienlage zum sogenannten „induzierten Verkehr“ ist eindeutig. Wir möchten demnächst eine detaillierte Positionsschrift zur Osttangente veröffentlichen, möchten aber bereits auf folgenden Termin hinweisen: Am 11. Juni (beginnend 09.30 Uhr im Volksbad Jena) wird es eine öffentliche Anhörung zur Osttangenten-Planung geben, zu der die Einwendungen aus der Zivilbevölkerung diskutiert werden können. Wir werden dabei sein und hoffen auf viele Unterstützer*innen, um das kontraproduktive Millionengrab Osttangente noch zu verhindern.

Bereits vor der Kommunalwahl, am 20. Mai, wird es zudem eine weitere Aktion des ABKU geben: Bei einem Speed-Dating können Interessierte die Stadtratskandidierenden treffen und ihre Fragen zum Umwelt- und Klimaschutz stellen. Dazu wird es mehrere Thementische geben (1. Öffentlicher Nahverkehr; 2. Auto-, Fahrrad- & Fußverkehr; 3. Ausbau Erneuerbarer Energien; 4. Wärmewende; 5. Baugeschehen; 6. Stadtgrün und Artenvielfalt; 7. Konsum und Ernährung) zwischen denen die Personen wechseln und so zu verschiedensten Umwelt-Themen ihre Fragen loswerden können. Beginn ist 15 Uhr im MVZ Wagner (Kochstraße 2a). Bis dahin!


[1] https://jena.adfc.de/neuigkeit/cost-tool-macht-verkehrsausgaben-der-stadt-jena-transparent

[2] https://www.sustainability-justice-climate.eu/de/werdegang.html

[3] https://vorhaben.jena.de/de/883389


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