Anmerkungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung „Westbahnhof und Umfeld“


Zwischen dem 05. und 16. Februar 2024 führte die Stadt eine Öffentlichkeitsbeteiligung unter dem Titel „Rahmenplanung Westbahnhof und Umfeld“1 durch. Auch wir als Initiative haben uns intensiv mit den Plänen beschäftigt und Anmerkungen zu den drei Teilbereichen „Umfeld Westbahnhof“, „Westbahnhofstraße“ und „Engelplatz“ verfasst, die wir an dieser Stelle mit euch teilen möchten.




1. Umfeld Westbahnhof

1.1. Bahnsteigverlängerung

Die in Szenario 3 dargestellte Verlängerung der Bahnsteige ist die wohl wichtigste Maßnahme, um den Umstieg zwischen Eisenbahn und städtischem Nahverkehr zu verbessern. Diese Maßnahme sollte in jedem Fall umgesetzt werden.

1.2. Anbindung an Forstweg

Sofern der Eingriff in die Natur beidseits der Bahntrasse nicht zu groß ist, sollte eine Anbindung der Bahnsteige an den Forstweg in Betracht gezogen werden. Mit der in Szenario 3 geplanten Bahnsteigverlängerung um ca. 200 Meter würden nur noch rund 100 Meter bis zur Forstweg-Brücke fehlen.

1.3. Überdachung verlängern

Die Verlängerung der Bahnsteige könnte genutzt werden, um zugleich auch die Überdachung zu verlängern. Diese sollte zumindest bis zur Westbahnhofstraße hergestellt werden und bestenfalls auch die Umsteigewege zum ÖPNV einschließen. Ebenfalls vorteilhaft wären Windschutz-Maßnahmen auf den Bahnsteigen.

1.4. Bei Brückenneubau Verbreiterung

Sollte die Eisenbahnbrücke, wie im Szenario zur Westbahnhofstraße beschrieben, für den Straßenbahnbau ersetzt werden müssen, so sollte diese Gelegenheit genutzt werden, sie ausreichend zu verbreitern, damit sich die verschiedenen Verkehrsarten nicht behindern. In den Grafiken zu allen drei Szenarien des Westbahnhofes scheint insbesondere die Fläche für den Fußverkehr im Haltestellenbereich sehr gering zu sein.

1.5. Bahnsteigzugang per Rampe erhalten

In Szenario 3 wirkt es so, als ob der barrierefreie Zugang südlich des historischen Bahnhofgebäudes zum östlichen Bahnsteig nicht mehr (direkt) möglich ist. Das wäre ein starker Verlust besonders für alle Personen, die ihr Fahrrad mit in den Zug nehmen möchten, denn nur zwei Fahrstühle für Menschen mit Rollstühlen, Kinderwägen, Fahrrädern etc. dürfte zu wenig sein. Der barrierefreie Zugang ohne Fahrstuhl sollte deswegen erhalten bleiben.

1.6. Ausreichend Fahrstühle

Zwei zusätzliche Fahrstühle nördlich der Hauptstraße wären wünschenswert, um einen barrierefreien Umstieg zwischen Eisenbahn und stadtauswärtigem ÖPNV zu ermöglichen, ohne dass die betroffenen Personen erst die Hauptstraße überqueren müssen, um zu den Fahrstühlen zu gelangen.

1.7. Keine Reduzierung von Fahrradstellplätzen

Es irritiert, dass in Szenario 3 weniger Fahrradstellplätze als in Szenario 2 eingeplant sind. Der Fokus sollte auf einer Erhöhung der Stellplatzzahl liegen. Auch nach Abschluss sämtlicher Maßnahmen sollten zudem Optionen vorgehalten werden, diese Stellplatzzahl zukünftig weiter erhöhen zu können.

1.8. Flügelung der Beutenberg-Linien auch im Straßenbahnbetrieb

Die schon lange diskutierte Bedienung der Beutenberg-Linien mit Straßenbahnen ist vermutlich kein Thema dieser Öffentlichkeitsbeteiligung. Allerdings irritiert es, dass in allen drei Szenarien nur eine Straßenbahntrasse über den Magdelstieg skizziert ist, jedoch keine Flügelung über die Otto-Schott-Straße zur Neuen Carl-Zeiss-Promenade. Falls diese Darstellung bewusst gewählt wurde, sollte die Entscheidung gegen eine Flügelung des Straßenbahnbetriebes überdacht werden.

1.9. Keine Tiefgaragenzufahrt über Stadtplatz

Szenario 3 sieht eine Zufahrt zur Tiefgarage des neuen Gewerbebaus im Süden des Bahnhofsumfeldes über den Stadtplatz vor. Diese Zufahrtsführung ist für die Aufenthaltsqualität auf dem Stadtplatz sowie dem Bahnhofsvorplatz äußerst ungünstig. Wenn überhaupt eine eigene Tiefgarage nötig ist, so sollte untersucht werden, ob eine Zufahrt von Süden über den Parkplatz des Justizzentrums möglich wäre.

1.10. Bahnhofsgestaltung

Zur Reise- und Aufenthaltsqualität gehört auch eine ansprechende Gestaltung inklusive guter Beleuchtung im Bahnhofsbereich und ausreichender Sanitäranlagen. Der Bahnhof selbst sollte sich auch optisch in das Stadtbild einfügen.

1.11. Stellplätze für Carsharing-Angebote

Für Carsharing-Angebote scheinen im Szenario 3 keine Stellplätze mehr zur Verfügung zu stehen. Dies wäre ein Rückschritt zum aktuellen Stand, um den Individualverkehr zu verringern.


2. Westbahnhofstraße

2.1. Keine Radschutzstreifen

Verschiedene Studien belegen, dass sogenannte Radschutzstreifen keinerlei Sicherheitsgewinn für den Radverkehr bedeuten, sondern sogar zu mehr gefährlichen Überholmanövern durch Kraftfahrzeuge führen. Auf die geplanten Schutzstreifen in der Westbahnhofstraße sollte deswegen komplett verzichtet werden.

2.2. Rad- und Fußverkehr trennen

Gemeinsame Fuß- und Radwege führen häufig zu Konflikten zwischen beiden Verkehrsarten. Gehwege mit „Radfahrer frei“-Zeichen hingegen sind keine Radwege und erlauben die Fahrt nur mit Schrittgeschwindigkeit. Deswegen sollten Rad- und Fußwege nebeneinander verlaufen statt auf gemeinsamer Fläche.

2.3. Radwegbeziehung unterhalb der Eisenbahntrasse optimieren

Dass der Radweg unterhalb der Eisenbahnbrücke um den Haltestellenbereich herumgeführt werden soll, ist grundsätzlich begrüßenswert. Allerdings ist im Planungsentwurf keine Möglichkeit erkennbar, stadtauswärts auf die Otto-Schott-Straße oder zum geplanten Bike&Ride-Angebot unterhalb des neuen Empfangsgebäudes zu gelangen. Hier sollte eine attraktive Querung der Straße ermöglicht werden.

2.4. Stelzen-Radweg als Alternative berücksichtigen

Eine Lösung für die knappen Straßenverhältnisse könnte ein Radweg auf Stelzen sein, wofür es inzwischen unterschiedliche Anbieter*innen gibt. Ein solcher aufgeständerter Radweg könnte vom Westbahnhof wahlweise zum Ernst-Haeckel-Platz oder zum Engelplatz führen. Am Westbahnhof könnte die Auffahrt südlich der Hauptstraße, parallel zwischen der Eisenbahntrasse und der abknickenden Westbahnhofstraße erfolgen; alternativ im Bereich der heutigen Haltestelle „Westbahnhofstraße“ stadteinwärts. Am Ernst-Haeckel-Platz bzw. dem Engelplatz wäre eine Rampe als Abfahrt erforderlich. Zwischenabfahrten zur Rathenaustraße und der Kochstraße bzw. dem geplanten neuen Universitätscampus für Sozialwissenschaften wären ebenfalls möglich. Die neue Haltestelle unterhalb der Eisenbahnbrücke würde in beide Richtungen südlich umfahren werden und so Konflikte mit wartenden Fahrgäst*innen vermeiden.

Ein Stelzen-Radweg sollte zumindest als Option erwogen und untersucht werden.

2.5. ÖPNV und Kraftfahrzeugverkehr bestmöglich trennen

So schmal die Platzverhältnisse in der Westbahnhofstraße auch sein mögen, so sehr sollte dennoch versucht werden, ÖPNV und den sonstigen Straßenverkehr zu trennen; zumindest abschnittsweise. Ein solcher Abschnitt könnte die neue Haltestelle am Westbahnhof sein, indem die Eisenbahnbrücke im Fall eines Neubaus ausreichend verbreitert wird. Auch der neue Universitätscampus könnte mit ausreichendem Abstand zur Straße geplant werden, um dem ÖPNV eigene Spuren zu ermöglichen. Im unteren Bereich der Westbahnhofstraße könnte eventuell das Trottoir durch einen Steg ersetzt werden, um darunter eine Fahrspur unterzubringen (wofür die Straße etwas tiefergelegt werden müsste). Ebenfalls wichtig und deutlich einfacher zu realisieren ist eine eigene ÖPNV-Spur an der Kreuzung auf dem Ernst-Haeckel-Platz.

2.6. Trottoir barrierefrei

Das Trottoir besitzt gegenwärtig am östlichen Ende lediglich eine Treppe und ist damit nicht barrierefrei. Dies sollte in jedem Fall durch eine Rampe korrigiert werden.


3. Engelplatz

3.1. Neue Haltestelle

Der Abschnitt zwischen Westbahnhofstraße und Teichgraben/Busbahnhof ist sehr lang. Eine weitere Haltestelle wäre gerade am Engelplatz wünschenswert, zumal in wenigen Wochen auch der Neubau für die Ernst-Abbe-Bücherei und den Bürgerservice eröffnet werden wird.

3.2. Grietgasse für ÖPNV verfügbarhalten

Bei der geplanten Nutzung der Grietgasse als Begegnungszone sollte berücksichtigt werden, dass sie für den ÖPNV und insbesondere eine direkte Verbindung von West- und Paradiesbahnhof wichtig ist. Wenn weitere verkehrsberuhigende Maßnahmen für die Grietgasse geplant werden, so sollte zumindest die Fahrbahnbreite nicht verringert werden. Außerdem wäre es sinnvoll, die Grietgasse für einen Straßenbahn-Linienbetrieb verfügbar zu halten, was insbesondere einen ausreichenden Kurvenradius von mindestens 20 Metern im Kreuzungsbereich erfordert. Entsprechende Flächen sollten von irreversiblen Bebauungen oder Bepflanzungen freigehalten werden.

3.3. Mehr Fahrradstellplätze

Die Fahrradstellplätze am Engelplatz sind zu knapp bemessen. Hier sollten deutlich mehr als die 20 im Planungsentwurf veranschlagten Stellplätze geschaffen werden.

3.4. Engelplatz autofrei

Der motorisierte Individualverkehr sollte als Teil einer verkehrsberuhigten Innenstadt vom Engelplatz verdrängt werden. Dies würde die dortige Aufenthaltsqualität erheblich steigern.




Anmerkungen:

  1. Die Beteiligungsplattform findet ihr hier: https://mitmachen.jena.de/rahmenplanung-westbahnhofumfeld ↩︎

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